Autor Thema: Lehre, Matura, Uni  (Gelesen 4148 mal)

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Offline lara_ela

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Lehre, Matura, Uni
« am: 28-02-2017, 09:45:17 »
Wie Charisma gerade im "es ist" geschrieben hat, will jeder Matura machen, Lehre ist nichts mehr wert.
Das ist mir leider auch aufgefallen!

Aber zusätzlich fällt auf, dass nach Maturanten gesucht wird! Also, eine Büroarbeit wird meistens ausgeschrieben auf HAK Absolventen (ok, wenn ich eine Bürokauffrau wär, würd ich mich da auch bewerben außer das Aufgabengebiet deck noch zusätzliche Buchhaltungssachen ab zB, die ich nicht kann).

Generell ist die Lehre nichts mehr wert leider. Und das finde ich schlecht. Mitm Bert hab ich dazu glaub ich auch schonmal geschrieben.
Nun, was ist also der Plan der Politiker: der Meister-Abschluss wird einem Bakk-Abschluss gleich gestellt. Das heißt, man wird dann "einfach so" Akademiker.
Ich bin nicht sicher, ob das sinnvoll ist. Einen Akademiker macht eigentlich das "Dahinter" aus, etwas das ihm ja auch gleichzeitig so gern vorgeworfen wird, während der "Ehrliche Handwerker" direkt immer in der Anwendung steht.

Gerade im Handwerk werden sehr viele Lehrlinge gesucht und man verdient dort auch gar nicht schlecht.
Aber ist es die Dummheit? Ist es der Ruf? denn ich glaub schon, viele wären für bestimmte Lehrberufe gut geeignet und könnten auch Spaß daran finden.
Geht es den Jugendlichen zu gut? Und ist zu wenig Druck dahinter?

Das Ansehen ist auf jeden Fall schlecht. Ich hab das letztens besonders im Gespräch mit meinem Vater gesehen, der Lehrlinge und Handwerker für sehr wichtig hält. Und er sagt, ihm bringt es nichts, wenn der Dr., Dipl. Ing. Mag, MAS Pimplmayr in seiner Wohnung steht und die Kabel nicht verlegen kann. Und gerade Strom ist etwas, das nicht einfach ist.
Aber wenn dann das Gespräch auf meinen Neffen kommt, hört man raus (und ich hab dann auch explizit gefragt), dass er für ihn die "klassische" Laufbahn wünscht: AHS Matura, Universität (keine FH!)
Er hat natürlich das Zeug dazu, also im Kopf, aber wer weiß, vielleicht will er eine HTL machen in Maschinenbau und dann in die Medizintechnik gehen. Oder einfach eine Lehre als Elektrotechniker, weil er so schon zu  viel denkt.
Also, man würde ihn sicher unterstützen, aber so ganz gern gesehen würde es nicht werden...

Aber wie würde man einen Lehrberuf aufwerten? Die Lehrlingsentschädigung anheben?
Die Matura schwerer machen und nicht alle durchschieben?

....
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Offline wuschelengel

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Re: Lehre, Matura, Uni
« Antwort #1 am: 28-02-2017, 09:54:58 »
Ich weiß es nicht. Ich arbeite mit Kindern, wo es mir leid tut dass sie von vornherein keine Matura anstreben. Denn manche hätten sehr wohl das Potenzial dazu, diese Variante gibt es in ihrer Lebensrealität aber ganz einfach nicht. Bildung wird vererbt, so ist es leider. 
Ich hab mich berufsbedingt in den letzten Jahren sehr intensiv mit Bildungslaufbahnen und allen Möglichkeiten auseinander gesetzt und ich spüre ganz stark, dass die allermeisten Leute einfach ganz fest verhaftet sind in ihren Denkmustern, was ein erstrebenswerter Beruf wäre - auch für ihre eigenen Kinder. Und ich fürchte, das wird sich eher verstärken durch die steigende, soziale Ungleichheit.
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Offline lara_ela

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Re: Lehre, Matura, Uni
« Antwort #2 am: 28-02-2017, 10:07:13 »
Ja, das ist etwas, worüber ich schon so oft diskutiert habe, wenn mir jemand erklären will, dass unser System nicht durchlässig genug sei.
MMn ist es nicht so sehr das (objektive) System, sondern die Lebenswelt, wie du auch erklärt hast!
So haben mir meine Eltern gesagt,  dass sie befürchtet haben, ich würde die AHS nicht schaffen und überlegten, mich in die HAK zu schicken. - als Abstieg sozusagen.
Insgesamt habe ich aber das Gefühl, dass es eher Aufstieg als Abstieg gibt.
Ich meine, ich habe mich jetzt in einer Welt bewegt, wo wenige Leute eine höhere Ausbildung hatten. Die stammten selten von Akademikern ab. Umgekehrt kannte ich mehr Studenten, die davon erzählten, dass sie die ersten in der Familie wären, die studierten....
Sogar meine Mama ist da ein Beispiel dafür (und ich das Beispiel dagegen ;D)

Aber so ganz generell fällt auf, dass Firmen jammern keine Lehrlinge zu bekommen (ok, die jammern immer), es sind aber sehr viele Stellen ausgeschrieben im Handwerk. Und wer jetzt an die finanzielle Zukunft denkt: nach den drei Jahren Lehre verdienst schon gscheit (in diesen Berufen mein ich jetzt). Wennst Schule gehst verdienst nix, dann gehst auf die Uni und dann vielleicht noch in eine nicht technische Richtung... also finanziell steht da jeder Bodenleger besser da!
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Offline wuschelengel

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Re: Lehre, Matura, Uni
« Antwort #3 am: 28-02-2017, 10:13:38 »
Ich war auch die erste in meiner Familie, die ein Studium abgeschlossen hat- und beruflich ist es bei mir trotzdem eindeutig ein Abstieg. Ich werde niemals das Einkommen meiner Eltern oder Großeltern haben.
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Offline lara_ela

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Re: Lehre, Matura, Uni
« Antwort #4 am: 28-02-2017, 10:17:34 »
Ja, das ist es, was in den Köpfen zusätzlich verkehrt ist! Ein Uni Abschluss garantiert kein hohes Gehalt!! Das ist in ein paar Branchen so, aber das ist genau gleich zu den Lehrabschlüssen.
also ein technisches Studium bringt viel, eine technische Lehre auch
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Offline Gwen

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Re: Lehre, Matura, Uni
« Antwort #5 am: 28-02-2017, 10:30:45 »
Ich war auch die erste in meiner Familie mit einem Studienabschluß, bei mir war das auch mit einem beruflichen Aufstieg und deutlich höherem Gehalt als dem meiner Eltern verbunden. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis sind fast ausschließlich Akademiker oder zumindest Leute mit Matura, da lebt man halt auch ein bisschen in seiner Blase.

Ich kenne auch fast niemanden, der eine Lehre gemacht hat. Mein kleiner Bruder hat Maschinenschlosser gelernt und hat nach Lehrabschluß schon recht gut verdient, ich glaube dass man mit einer Lehre finanziell viel besser fahren kann als mit Studienabschluß (kommt natürlich stark auf die Branche an), v.a. wenn man die Zeit mitrechnet in der man bis zum Studienabschluß nichts verdient. Generell find ich es schade, dass ein Lehrberuf als sozialer Abstieg gesehen wird, aber es kommt meiner Meinung nach auch stark darauf an welche Lehre gemacht wurde. Ein Lehrabschluß im Einzelhandel oder in der Systemgastronomie spielt für mich in einer anderen Liga als ein Installateur oder Friseur. Das ändert aber nichts daran, dass die Wirtschaft viele Leute für diese Positionen braucht. Wir alle wollen rund um die Uhr einkaufen, essen gehen und alle möglichen Serviceleistungen haben. Auf der anderen Seite muss auch jemand diese Dienstleistung anbieten und diese werden generell relativ schlecht bezahlt.

Ich denke eines der Hauptprobleme ist, dass es immer mehr Ausbildungen gibt und das man mittlerweile so gut wie nichts mehr ohne entsprechende Ausbildung machen kann. Leute, die diese Ausbildungen nicht machen bzw. aus welchen Gründen auch immer nicht schaffen haben beruflich überhaupt keine Chancen mehr. Dabei sagen viele Ausbildungen nichts oder zumindest nicht alles darüber aus wie gut eine Person in einem Job ist. Jetzt soll ja sogar der Ingenieurstitel dem Bachelor gleichgestellt werden. Ich finde diesen Titelausverkauf ziemlich schlimm, weil damit akademische Bildung total abgewertet wird, nur um die Statistik aufzubessern. Im Gegenzug wird eine Lehre nochmal abgewertet, weil ja jetzt Hinz und Kunz schon einen Bachelortitel haben...

Offline lara_ela

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Re: Lehre, Matura, Uni
« Antwort #6 am: 28-02-2017, 10:39:57 »
Der erste Schritt die Akademikerquote zu haben war die Medizinisch technischen Fachdienste auf die FH zu schicken. ...
Österreich mit seiner Titelgeilheit ist da natürlich vorn dabei

Aus meiner Erfahrung heraus fällt auch auf, dass ganz viele nicht in dem Bereich arbeiten, den sie studiert haben (also Uni-Studium - weil es einfach selten so Anwendungsspezialisiert ist). Daraus ergibt sich für mich auch, wie du schon gesagt hast, dass diese vielen Ausbildungen einen Wildwuchs darstellen.
Das trifft auf Studien zu, genauso wie auf Lehrberufe. Es gibt so unglaublich viele Zweige, wo man sich fragt, ob essinnvoll ist da alles in eine unterschiedliche Schublade zu stecken...
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eine Novelle vor kurzem hat bspw gebracht, dass der Friedhofsgärtner nun auch ganz ohne weiteren Gewerbeschein Eis verkaufen darf. Na bumm!
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Offline TheMechanix

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Re: Lehre, Matura, Uni
« Antwort #7 am: 28-02-2017, 11:28:57 »
Naja, wundert's wen, dass alle zur Matura drängen? Seit Jahrzehnten wird einem ja auch gesellschaftlich eingeredet, man müsse das so machen...dabei ist das ja nur sozialistische Romantik, Matura und akademischer Abschluss für alle, die halt in ihrem Gleichheitswahn nicht berücksichtigt, dass nicht alle das Zeug dazu haben...was ja auch in Ordnung ist, Menschen sind ja deshalb net weniger wertvoll...und Menschen haben halt auch unterschiedliche Qualitäten, und eine Gesellschaft lebt und profitiert genau von dieser Vielfalt...

Und hinzu kommt auch ein Schulsystem, das einen schon mit 10 zum ersten Mal in eine Richtung drängt und mit 14 dann endgültig festlegen will, anstatt den jungen Menschen bis zu einem reiferen Alter einfach Möglichkeiten zu zeigen, die diese dann selbst auswählen können...aber das ist halt auch der grundlegende Unterschied zwischen Bildung und Ausbildung, heutzutage redet man ständig von ersterem, meint aber das zweite...
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Offline lara_ela

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Re: Lehre, Matura, Uni
« Antwort #8 am: 28-02-2017, 11:32:21 »
Ja, mein Vater nennt da so gern die Ski-Gymnasien. Es ist für jeden klar und auch völlig in Ordnung, dass man für ein Ski Gym (oder auch Ski HS) Ski fahren können muss! Das hinterfragt niemand! Hier ist doch auch nicht jeder gleich. Aber "normale" Matura für alle. als wären wir alle gleich.
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Offline Regenbogenschießen

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Re: Lehre, Matura, Uni
« Antwort #9 am: 28-02-2017, 11:42:34 »
Gerade bei mir hier am Land ist die Lehre groß vertreten. Aus der Klasse meines Sohnes werden von 18 Kindern nur 3 Kinder das Gym besuchen. Heißt natürlich nix, denn nach der Pflichtschule kann man immer noch in die Oberstufe, bzw. nach der Unterstufe einen Lehrberuf anstreben. Die meisten sind zu faul ihre Kinder ins Gym zu schicken (Fahrtweg, mehr lernen), obwohl die Kinder absolut das Zeug dazu hätten.

Bei den Geschäftsleuten hier in der Umgebung höre ich vielfach raus, dass sie schon gar keine Lehrlinge wollen, weil diese nach der Pflichtschule nicht mal 1+1 zusammenzählen können. Darüber hinaus sind sie faul und unfreundlich. Das ist der große Tenor hier. Ausnahmen gibt es natürlich. Oder halt das Rote-Ampel-Prinzip. Das kann ich aber nicht beurteilen.

In der Firma wo ich arbeite, werden oft Stellen ausgeschrieben mit Anforderungen wo man sich wirklich fragt. Matura geht ja noch, aber Studienabschluss? Das ist oft so hoch gegriffen, dass man Schwierigkeiten hat wen zu finden. Oder sie wollen damit von vornherein extrem aussortieren. Ich weiß nicht was hinter dieser Personalpolitik steckt.

Für meinen Sohn strebe ich sehr wohl eine höhe Schule an. Er muss nicht auf die Uni, ich weiß auch gar nicht ob ich das will, aber eine HTL wäre schonmal nicht schlecht. Ich könnte mir nicht vorstellen ihn nach der Pflichtschule in eine Lehre zu schicken. Genauso wie bei mir damals, bietet sich da einfach nichts passendes an (Interesse nicht vorhanden zB.). Sollte ihm das Gym aber anzipfen und er nicht mehr lernen wollen, wird sich sicher eine Lehre finden lassen. Dann ist die Ausgangssituation aber auch wieder eine andere, denn dann hat er sich wo anders hin entwickelt als es momentan der Fall ist.

Generell glaub ich, dass man hier das Stadt-Land-Gefälle betrachten muss. In der Stadt ist der Lehrberuf wohl weniger interessant als am Land.

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